Nachgehakt bei Foodsharing Ostbelgien

1 von 3 erzeugten Lebensmitteln landen unverzehrt im Müll. 15-25 kg verzehrbare Lebensmittel werden pro Kopf und Jahr in der Wallonie weggeschmissen. 1,4 Milliarden € sind die Lebensmittel wert, die wir jährlich in der Wallonie wegwerfen. Jeder Einkauf und Teller entscheidet. Es ist an der Zeit etwas zu verändern. Foodsharing Ostbelgien setzt sich für die Lebensmittelrettung ein und möchte diesem Trend entgegen wirken. Wir finden diese Initiative super und freuen uns mehr darüber zu erfahren.

Liebe Joelle,
Lieber Manuel,

schön, dass ihr euch kurz Zeit für uns nehmt.

WAS GENAU IST FOODSHARING?

Foodsharing ist eine 2012 in Deutschland gegründete Bewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, überschüssige, noch genießbare Lebensmittel vor der Vernichtung zu retten. Das können Lebensmittel sein, die Hersteller oder Händler nicht mehr verkaufen können, aber auch solche, die in Privathaushalten nicht mehr benötigt werden.

Diese Lebensmittel können z.B. von Privatperson zu Privatperson weitergegeben oder in so genannten Fairteilern (in der Regel Schränke an öffentlichen Orten) abgelegt werden. Eine Übersicht darüber, welche Lebensmittel geteilt werden dürfen und welche nicht, gibt es auf unserer Internetseite foodsharing-ostbelgien.jimdosite.com.

WARUM IST FOODSHARING AUS deiner SICHT NOTWENDIG?

Wir finden es wichtig, für Lebensmittelverschwendung und Überproduktion zu sensibilisieren und dem etwas entgegenzusetzen. Auch zu einem bewussteren Konsumverhalten wollen wir beitragen. Das geht zum Beispiel über das Thema Mindeshaltbarkeitsdatum. Wir ermutigen alle, ihre Sinne zu nutzen um zu prüfen ob Lebensmittel noch genießbar sind.

Foodsharing dient damit dem Umwelt- und Klimaschutz. Es geht um Wertschätzung für aufwendig produzierte Lebensmittel, die für Bewässerung, Transport, Verpackung, Lagerung zahlreiche Ressourcen verbraucht haben und statt in der Tonne im Teller landen sollen.

WIE IST FOODSHARING NACH OSTBELGIEN GEKOMMEN?

Foodsharing ist 2018 durch die Initiative von Joelle Ramakers nach Ostbelgien gekommen. Über eine Facebook-Gruppe mit rund 2700 Mitgliedern werden überschüssige Lebensmittel getauscht. Auch die 13 Fair-Teiler können anonym und bedingungslos genutzt werden, um Lebensmittel abzuholen oder abzugeben.

WIEVIELE PERSONEN STEHEN HINTER FOODSHARING OSTBELGIEN? UND WIE KANN MAN SICH EURE ARBEIT VORSTELLEN?

Die Gruppe um Foodsharing Ostbelgien besteht aus einer fluktuierenden Anzahl Ehrenamtlicher, die sich zum Beispiel um die Fair-Teiler Pflege kümmern, in Schulen sensibilisieren, Infostände betreuen oder Anfragen beantworten.  Unsere Gruppe besteht aus 8-10 Leuten. Einige von uns sind auch Foodsaver:innen. Das bedeutet, dass wir ein Quiz absolviert haben und an drei Einführungsrettungen teilgenommen haben. Punktuell holen diese Foodsaver:innen auch Lebensmittel in Bäckereien, Supermärkten  – meist in Aachen – ab und verteilen sie in die verschiedenen Fair-Teiler.

GIBT ES EINE ÜBERSICHT DER FAIR-TEILER IN OSTBELGIEN?

Ja, eine Übersicht mit detaillierten Informationen gibt es auf unserer Internetseite  und eine Karte, auf welcher alle Fair-Teiler eingezeichnet sind.

WELCHE FAIR-TEILER WERDEN AM MEISTEN GENUTZT? UND WELCHE LEBENSMITTEL BLEIBEN BESONDERS OFT ÜBRIG?

Die Schränke werden unterschiedlich genutzt. Die Fair-Teiler, die regelmäßig befüllt werden, wie Kettenis, Kelmis oder Eynatten werden natürlich rege besucht. Eigentlich geht alles gut weg. Bei Backwaren kann es vorkommen, dass diese nach wenigen Tagen hart sind und daher entsorgt werden müssen. Unbeschriftete oder angebrochene Lebensmittel sind problematisch und müssen oft entsorgt werden. Leider wird auch immer wieder Kühlware abgegeben, die wir aufgrund der Unterbrechung der Kühlkette dann leider nicht mehr verwerten können.

WER KANN DIE FAIR-TEILER NUTZEN UND WELCHE LEBENSMITTEL KÖNNEN GETEILT WERDEN: GIBT ES EINSCHRÄNKUNGEN?

Die Fair-Teiler können von ausnahmslos allen Menschen bedingungslos genutzt werden – sei es, um Lebensmittel zur Verfügung zu stellen oder um Lebensmittel zu entnehmen. Die Initiative hat nichts mit Bedürftigkeit oder Bekämpfung von Armut zu tun. Wir können die wertvolle Arbeit der Lebensmittelbanken nur ergänzen aber keine regelmäßige und zuverlässige Versorgung garantieren. Foodsharing ist für alle da. Hauptsache, die Lebensmittel werden verwertet und gegessen. Einschränkungen gibt es an den Fair-Teiler Schränken: Alkohol oder leicht verderbliche Lebensmittel wie Fleisch-m Fisch oder Cremespeisen sind nicht erlaubt. Die Regeln stehen an jedem Schrank.

WELCHE TIPPS HABT IHR UM LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG ZU REDUZIEREN?

Wir empfehlen eine bewusste Vorbereitung auf den Einkauf. Beim Wocheneinkauf kann eine vorher geschriebene Einkaufsliste hilfreich sein, damit nicht mehr oder weniger wahllos Lebensmittel im Einkaufswagen landen, die dann später womöglich keine Verwendung finden. Auch kann eine Bestandsaufnahme vor dem Einkauf Sinn machen. Was ist da? Was muss gekauft werden?

Tauchen bei der Bestandsaufnahme Lebensmittel auf, für die es im eigenen Haushalt keinen Bedarf mehr gibt, können diese sogleich in den nächstgelegenen Fair-Teiler gebracht werden, sofern sie noch genießbar sind. Wenn vom Kommunions- oder Grillfest gekochte Speisen übrig sind, kann auch über Facebook darüber informiert werden. So können Menschen mit ihren Behältern vorbeikommen und sich z.B. eine Portion Kartoffelsalat abholen, die gut gelagert worden ist.

Ein weiterer Tipp ist unseren Anspruch an das Aussehen von Obst- und Gemüse zu hinterfragen. Krumme Möhren, etwas braune oder einzelne Bananen, kleine Kartoffeln – all das kann bedenkenlos verzehrt werden. Wenn wir unseren Anspruch ändern, verändert sich vielleicht auch die Vorauswahl in den Geschäften, die Unmengen bereits zwischen Feld und Regal aussortiert.

WAS WÜNSCHT IHR EUCH FÜR DIE ZUKUNFT VON FOODSHARING BZW: IM HINBLICK AUF UNSERE ERNÄHRUNG?

Wir wünschen uns, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zum Retten von Lebensmitteln in Belgien überdacht und modernisiert werden. Bisher können nur karitative Einrichtungen legal Lebensmittel aus dem Handel abholen. Auch hier gibt es viele Einschränkungen wegen der Lebensmittelsicherheit.  Bei Foodsharing setzen wir auf Eigenverantwortung.

Ganz allgemein wünschen wir uns wieder mehr Wertschätzung für Lebensmittel und dass mehr weiterverwertet, verschenkt oder getauscht wird.  Im Hinblick auf unsere Ernährung wäre wünschenswert, dass nicht nur auf gesunde Lebensmittel geachtet wird, sondern auch auf die Klimabilanz der Nahrungsmittel. Mehr pflanzliche Ernährung, lokales, saisonales Gemüse und weniger Pestizide würden unserem Planeten definitiv gut tun. Hier sehen wir gerade auch Kantinen/Schulen stark in der Pflicht.

Mehr Infos zu Foodsharing Ostbelgien und den Fair-Teilern

Vielen lieben Dank Joelle Ramakers und Manuel Kessel von Foodsharing für die ausführlichen Informationen und eure Tipps.